Peter H. Feist | Bildende Kunst 2/1970 | S. 69
Paris, Ronald
Das Wandbild „Lob des Kommunismus” ► schuf der damals 36jährige Maler Ronald Paris, drei Jahre nach Beendigung seiner Meisterschülerschaft an der Berliner Akademie der Künste.
Es wurde im November 1969 im neu errichteten „Haus der Statistik“ in der Otto-Braun-Straße am Berliner Alexanderplatz eingeweiht und befand sich im Sitzungsraum der Staatlichen Verwaltung für Statistik der DDR, fest installiert an einer langen Wand, direkt gegenüber der breiten Fensterfront. Das Bild mit 2,00 m Höhe und 8,70 m Länge hat eine leichte nach innen gewölbte Form, die sich ursprünglich auf den großen ovalen Konferenztisch bezog, der in der Mitte des lang gezogenen Raumes stand.
Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Peter H. Feist nahm bereits 1970 in der Zeitschrift Bildende Kunst den kunsthistorischen Wert des Bildes vorweg und bescheinigte dem Künstler für seine Historiendarstellung außerordentliche „bildnerische Fabulierlust“ und „verführerisch-farbsinnliche Malkultur“. Die künstlerische Arbeit setze neue Maßstäbe in der Wandmalerei: „Der Maler geht einen großen Gegenstand mit großem Atem an... Er fordert zu Recht Verständnis für die Sprache der Malerei, die das Lob des Kommunismus auf ihre eigene bildhafte Weise formuliert, und die er weiterbildet, reicher und geschmeidiger macht.“
Frieskomposition zu Bertolt Brecht
Thema der Frieskomposition ist das Gedicht „Lob des Kommunismus“ von Bertolt Brecht, das der Künstler in Druckbuchstaben auf den Bildgrund schrieb. Die dichte Beschreibung einer bedeutenden Epoche und die Überlegenheit der kommunistischen Weltanschauung sind unmissverständlich. Der Betrachter sieht sich mit szenischen Bildern vom Kampf der Unterdrückten gegen das verbrecherische Kapital konfrontiert, wobei die einzelnen Figuren die Textpassagen des Gedichts versinnbildlichen und mit ihren menschlichen Haltungen die dialektischen Gedanken des Dichters übersetzen.
In einem Auf und Ab der Bewegungen und mit eindeutiger Symbolik lösen sich Typisierungen von lesenden Arbeitern und spielenden Kindern, Darstellungen von bekannten Figuren wie Karl Liebknecht, die Matrosen von Cattaro oder von Rotarmisten und gespenstige Gestalten mit Haifischkopf, Krokodilstränen und zähnefletschende Hunde einander ab. Die farbigen Rhythmen und spannungsreichen Gegenwelten beziehen sich aufeinander und fordern den Betrachter auf, das Bild mehrfach und nach allen Richtungen immer wieder neu zu entdecken.
Erste Hilfe für Wandbild „Lob des Kommunismus”
Von 1990 bis 2008 nutzten den Sitzungssaal die Berliner Außenstelle des Statistischen Bundesamtes, in deren Auftrag Ronald Paris das Bild noch ausgebessert hatte, und die Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit (BStU). Im August 2008 erfuhr Ronald Paris von den BStU-Mitarbeitern, dass das Gebäude abgerissen werden soll. Deshalb wandte er sich an das Landesdenkmalamt und bat um Unterstützung bei der Rettung seines Gemäldes. Weil aber das Gebäude und damit auch das baugebundene Kunstwerk nicht unter Denkmalschutz standen, hatte das Landesdenkmalamt keine Handlungsmöglichkeiten. Die Kunstverwaltung des Bundesamtes für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) wurde gebeten, sich der Sache anzunehmen.
Aber gemäß den Richtlinien für die Verwaltung des bundeseigenen Kunstbesitzes war auch die Kunstverwaltung für diese „Kunst am Bau“ nicht zuständig. Zu diesem Zeitpunkt besuchte ich als freischaffende Kuratorin des Kunstarchivs Beeskow die Kunstverwaltung beim BADV, um mich über deren DDR-Kunstbestände zu informieren. Dabei wurde das Problem von der drohenden Zerstörung des Wandbildes an mich herangetragen. Wir vereinbarten zum 7. April 2009 einen Ortstermin, an dem außerdem noch Mitarbeiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima Berlin), der Hausverwaltung und der Kunstverwaltung des BADV teilnahmen.
Noch während der Besichtungung des Wandbildes wurde das weitere Vorgehen abgestimmt und protokolliert:►Der BADV erklärte sich als Serviceleistung bereit, über die Website der Kunstverwaltung nach Interessenten für das Kunstwerk zu suchen.►Ich erklärte mich bereit, von Restauratoren eine fachkundige Expertise zum Ab- und Wiederaufbau des Wandgemäldes einzuholen. Außerdem wollte ich die Kosten für den Ab- und Aufbau schätzen lassen, was bei der Suche nach Interessenten strategisch wichtig sein würde.►Die Bima wollten prüfen, inwieweit ihrerseits Kosten übernommen werden können.►Es wurde auch nochmal darauf hingewiesen, dass das DHM zwar sein Interesse an dem Gemälde bekundet hat, jedoch keinerlei Kosten übernehmen kann.
Rettung der Kunst aus der DDR beginnt mit einem Gutachten
Zwei Monate nach dem Ortstermin konnte ich am 9. Juni 2009 die Dipl. Restauratorin Dorothee Schmidt-Breitung für eine Begutachtung in der Otto-Braun-Straße gewinnen. Von der Bima erfolgte zuvor der Hinweis, dass Honorar- und Kostenersatzansprüche für diese Begehung im Vorfeld zu klären sind. Wir einigten uns darauf, keine Ansprüche geltend zu machen.
Nachdem die Restauratorin das Gutachten mit einer detaillierten Kostenübersicht von rund 19.000 Euro fertiggestellt hatte, verteilte ich die Unterlagen am 24. Juni 2009 an alle Akteure. Nun begannen sich auch Politiker mit Nachdruck für das Kunstwerk einzusetzen. Ein Jahr nach dem ersten Ortstermin erhielt die Bundesregierung eine Kleine Anfrage bezüglich der Sicherung des Wandbildes (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/1243, 12.04.2010). In der Antwort wurde irrtümlich angegeben, dass das Kunstarchiv Beeskow zur Ermittlung der Sicherungsmöglichkeiten und deren Kosten eingebunden wurde. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage an das Berliner Abgeordnetenhaus steht sogar: „Das Kunstarchiv Beeskow hat ein Gutachten beauftragt...“ (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 16/14160, 22.02.2010). Diese falschen Angaben sind sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Restauratorin und ich seit vielen Jahren für das Kunstarchiv Beeskow arbeiten. Und so wurde unser persönliches Engagement einfachhalber der öffentlichen Einrichtung zugeordnet. Richtig ist aber, dass unbürokratisches Handeln und der Verzicht auf Honorar- und Kostenersatzansprüchen in der frühen Phase der Rettungsaktion die Möglichkeit einer Interessenbekundung eröffnete und letztlich das detaillierte Gutachten mit schlüssigem Kostenangebot für die Demontage und den Wiederaufbau zu dem erfolgreichen Abschluss im Oktober 2010 geführt hat.
Interessenbekundung für DDR-Kunst
Im Juni 2010 begann das Bima Berlin mit dem Verfahren zur Interessenbekundung. Die Abgabe des Bildes sollte unentgeltlich erfolgen, die De- und Montagekosten zum Erhalt des Bildes allerdings übernommen werden. Als der Direktor des DDR-Museums in der Karl-Liebknecht-Straße und sein wissenschaftlicher Leiter von der Ausschreibung zur Übernahme des Bildes erfuhren, beteiligten sie sich an dem Verfahren. Ihr Konzept sah vor, das Bild an einer eigens dafür konzipierten Wand in dem DDR-Restaurant „Domklause“ wieder anzubringen. Das Konzept überzeugte und so konnte am 9. Oktober 2010 das Bild im Beisein von Ronald Paris zum ersten Mal wieder der Öffentlichkeit präsentiert werden.
„Lob des Kommunismus” zerlegt und neu montiert
Innerhalb von drei Monaten hatte ein Team aus sechs Restauratoren unter Leitung von Dorothee Schmidt-Breitung das Wandbild in der Otto-Braun-Straße abmontiert und in der Karl-Liebknecht-Straße wieder angebracht. Weil der Künstler die Farben direkt auf den fein gefilzten Kalkputz der konkav geschwungene Rapitzwand aufgetragen hatte, bestand die Herausforderung vor allem darin, das Bild unbeschadet in einzelne Teile zu zerlegen und ohne Verluste neu zusammenzusetzen.
Vor der Abnahme wurde die Malschicht konserviert, lose Putzschichten konsolidiert, Fehlstellen entsprechend des historischen Materials gekittet und die gesamte Malchichtoberfläche mit einem temporären Festigungsmittel versehen, welches als warme Schmelze aufgebracht wurde. Im nächsten Schritt konnte das Wandbild durch senkrechte Schnitte in sieben Einzelteile zerlegt werden. Die Größe der einzelnen Fragmente reichte von 1 Meter bis 1,90 m. Die Schnitte wurden gemeinsam mit dem Künstler festgelegt, wobei darauf zu achten war, dass diese nicht direkt durch die fein ausmodellierten Bereiche, wie z.B. die Gesichter führten. Zur Sicherung der einzelnen Fragmente für Transport, Lagerung und Montage erfolgten eine Kaschierung der Bildseiten und die Ummantelung der Fragmente. Eine große Schwierigkeit stellte der Transport in den schmalen Gängen des Hauses dar. Es wurden spezielle Transportwagen gebaut. Nach statischen Berechnungen wogen die abgenommenen Bildfragmente noch über eine Tonne.
Am neuen Standort wurde eine speziell angepasste Gipskartonwand aufgestellt. Diese nimmt exakt die konkave Wölbung des Bildes auf. Die abgenommenen Bildfragmente wurden rückseitig konsolidiert. Die Reapplizierung erfolgte mittels Dübbelverankerungen, Verklebungen und dem Einfügen in einen konstruktiven Sockelrahmen. Wichtig war das genau Ausjustieren der einzelnen Fragmente. Dieses erforderte ein zügiges und überlegtes Arbeiten. Als Zwischenschicht wurde zusätzlich eine Art dünner Mörtel aufgebracht, in welchem die Putzfragmente eingelegt wurden. Weiterhin erfolgte mittels festgelegter Öffnungen der Eintrag einer speziell im restauratorischen Bereich angewandten Hinterspritzmasse.
Nach der Reapplizierung der Bildfragmente mussten die vorderseitigen Kaschierungen entfernt, die Oberfläche gereinigt, die Fehlstellen an den Schnittstellen und innerhalb einzelner Ausbrüche im unteren Bereich, entsprechend des historischen Putzmaterials geschlossen und in diesen Bereichen retuschiert werden. Der Umfassungsrahmen erhielt eine Schattenkante.