DDR-Kunst

„Den Hintergrund dazu habe ich erfunden, um eine zu dieser in einem ländlichen Milieu beheimateten Frau passenden Atmosphäre zu schaffen.“
Harald Hakenbeck | Welt der Kunst | Berlin 1963 | S. 20

Hakenbeck, Harald

„Peter im Tierpark“ trifft auf „Alte Frau mit Hühnern“ Viele kennen „Peter im Tierpark“ aus alten Zeiten, weil sie noch die DDR-Lesebücher in Erinnerung haben,

in denen das Werk als Sinnbild für sozialistischen Realismus seit Mitte der sechziger Jahre reproduziert wurde. Viele haben das Bild erst jetzt entdeckt, weil es kürzlich in der Kunsthalle Rostock ausgestellt war, wo der Künstler Moritz Götze das Meisterstück vor neuem Hintergrund rekonstruiert und dessen Bedeutung bewusst aus dem Kontext gerissen hatte.

Harald Hakenbeck malte Sohn und Nachbarin

Die wenigsten kennen den Urheber des Bildes – Harald Hakenbeck. Das Bild – ein Porträt seines Sohnes – hatte er in einem angemieteten Souterrain in der Nähe seiner Wohnung in Berlin gemalt. 1962 wurde es auf der V. Deutschen Kunstausstellung in Dresden gezeigt. Populär wurde das Bild, weil der kleiner pausbäckige Junge als Plakatmotiv der Kunstausstellung im Sturm die Herzen der Besucher erobert hatte. Andere Bilder von Hakenbeck sind kaum jemandem bekannt, schon gar nicht das Bild „Alte Frau mit Hühnern“ von 1955. Es war immer im Besitz des mittlerweile 88jährigen Künstlers und wurde nur einmal ausgestellt – 1963 in Indonesien.

Als Meisterschüler der Deutschen Akademie der Künste, wo Heinrich Ehmsen sein Lehrer war, hatte sich Harald Hakenbeck intensiv mit der Malerei der Renaissance auseinander gesetzt. Ausgiebig studierte er die Malerei des Quattrocento in Italien – in Bezug auf die Maltechnik, die Bildkomposition und die Stilisierung. Charakteristisch für die neuen Tendenzen der italienischen Malerei des 15. Jahrhunderts war u.a. das autonome Porträt. Zudem kam es zur Psychologisierung des Bildes mithilfe einer nuancenreich vorgetragenen Hell-Dunkel-Malerei. Im Bild „Alte Frau mit Hühnern“ lassen sich die Einflüsse dieser altmeisterlichen Technik und Malweise unmittelbar nachspüren.

In Berlin bekam das Ehepaar Hakenbeck regelmäßig Besuch von einer alten Frau aus der Nachbarschaft. Von ihr fertigte der Maler eine Zeichnung an, die einen guten Einblick in die feinsinnige Arbeit und emphatische Haltung des Porträtisten gibt. Der zeichnerische Aufriss bestimmt auch die Formensprache des Gemäldes, wobei auf die verschmitzte Mimik, die das Gesicht in der Zeichnung aufweist, zugunsten einer nachdenklich wirkenden Körperhaltung verzichtet wurde. Die Komposition des Gemäldes ist in Farbe und Form ausgewogen und der Bildinhalt wird schlicht, ohne äußere dramatische Effekte, vorgetragen. Die Maltechnik ist Eitempera mit Ölfarbe. Hakenbeck arbeitete mit Untermalung, ein mehrschichtiger Werkprozess, der viel Zeit benötigt, dann aber ein freieres Schaffen erlaubt. Insgesamt ist die Farbgebung des Bildes sehr zurückhaltend. Es ist in erdfarbenen Tönen gehalten und wird lediglich durch wenige helle und dunklere Flächen belebt.

Mit dem unspektakulären Motiv einer alten Frau hatte der Meisterschüler letztlich eine sachlich-nüchterne Übersetzung der Malerei der Renaissance für eine Malerei des sozialistischen Realismus untersucht. „Das Ergebnis ist ein herber und zuweilen naiver Realismus“, so schrieb auch der Kunsthistoriker Lothar Lang über den Maler. Sechs Jahre später schaffte Hakenbeck mit dieser Malweise und einem nun volkstümlichen Motiv wie dem kleinen Peter im Tierpark sowie einer republikweiten Plakatkampagne den künstlerischen Durchbruch in der DDR.

Das Bild „Peter im Tierpark“ wurde 1962 nach der V. Deutschen Kunstausstellung vom Ministerium für Kultur angekauft und befindet sich heute im Besitz der Staatlichen Kunstsammlung Dresden. Das Bild „Alte Frau mit Hühnern“ und die Bleistiftzeichnung hat Harald Hakenbeck am 29. Juli 2014 an einen privaten Sammler verkauft.

*1926 in Stettin, 1942 Lehre als kaufmännischer Angestellter, 1942-44 Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft in Holland und Belgien, 1947-53 Studium an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin Weißensee, Lehrer: Arno Mohr, Bert Heller, 1954-57 Meisterschüler bei Heinrich Ehmsen an der Deutschen Akademie der Künste, 1965-68 Dozent an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 1974-80 Lehrtätigkeit an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, lebt in Berlin