Kuratorin

Plakate aus der DDR | Verführung zur Kunst

Die Ausstellung mit Plakaten, die vier Jahrzehnte für Kunstausstellungen in der DDR warben, ermöglicht einen visuellen wie auch inhaltlichen Einblick in die Alltagskultur der DDR.

Alle Plakate der Ausstellung gehören zur Sammlung Dieter Leber, die seit 1999 im Kreisarchiv Oder-Spree aufbewahrt werden. Eigentlich ist es keine Sammlung im herkömmlichen Sinne. Dieter Leber hatte an der Filmhochschule Babelsberg studiert und bis 1975 als Produktionsleiter beim Fernsehen der DDR gearbeitet. Danach wurde er Freiberufler und erhielt eine Zulassung für den Aufbau von Ausstellungen. Sein Schwerpunkt war dabei die bildende Kunst und einer seiner Auftraggeber das Zentrum für Kunstausstellungen der DDR – eine nachgeordnete Einrichtung des Ministeriums für Kultur, die vor allem internationale Kunstausstellungen realisierte. Neben der Übernahme von Ausstellungen aus dem Ausland veranstaltete das Zentrum auch in eigener Regie verschiedene Ausstellungen mit Kunstwerken aus Museumsbesitz oder mit Künstlern aus dem In- und Ausland u.a. in den eigenen Ausstellungsräumen, der „Neuen Berliner Galerie“ im Alten Museum oder der „Galerie am Weidendamm“ an der Friedrichstraße in Berlin. Belegexemplare von den Plakaten und Katalogen wurden in einem Lager im Bodemuseum in Berlin-Mitte verwahrt. Weil das Ministerium für Kultur auch offizielle Ausstellungen in den Bezirken der DDR mitfinanzierte, waren die Galerien und Museen angehalten, dem Ministerium jeweils auch Belege von den Plakaten und  Katalogen bereitzustellen. Alle diese Belegexemplare kamen ebenso in das Lager im Bodemuseum. 1990 wurde das Zentrum für Kunstausstellungen aufgelöst und 9 von 60 Mitarbeitern vom Institut für Auslandsbeziehungen übernommen. Das Lager in Berlin-Mitte musste geräumt werden. Dieter Leber, der mit der Räumung beauftragt war, nahm die Ansammlung von Belegexemplaren mit in seine Firma nach Frankfurt/Oder und bewahrte sie so vor der Papiermühle. Neun Jahre später gab er den Bestand einschließlich der Grafikschränke – und erweitert um seine eigene Plakatsammlung – an das Kreisarchiv in Fürstenwalde. Bis heute bringt der passionierte Sammler seine neuesten Erwerbungen ins Kreisarchiv. Die Sammlung Leber umfasst zurzeit über 30.000 Objekte, wobei auch viele Duplikate darunter sind. Nach eigenen Angaben befinden sich in der Sammlung mehr als 15.000 Plakate, die für Kunstausstellungen in der DDR werben. Diese bilden den Grundstock der Sammlung Leber. Sie ist einzigartig im Vergleich zu anderen Sammlungen mit Plakaten aus der DDR. In Berlin sind das die Sammlungen der Akademie der Künste, des Bundesfilmarchivs, des Progress Film-Verleihs, des Plakatarchivs Stiftung Plakat OST, des Märkischen Museums, des Kupferstichkabinetts und des Museums für Deutsche Geschichte.

Ausstellungsplakate dokumentieren das kulturelle Wert- und Denksystem in der Kunstpolitik der DDR

Die Plakatausstellung in den Räumen der Burg Beeskow gibt somit einen kleinen Einblick in die Tätigkeit des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR und in bezirkliche Kunstausstellungen. Im Vergleich zum Kunstarchiv Beeskow, wo die Kunst der Parteien und Massenorganisationen der DDR lagert, die entweder in öffentlichen Gebäuden hing oder in Depots verstaut war, widerspiegeln die Plakate nun die offizielle internationale und nationale Ausstellungstätigkeit der DDR.

Nur in der Gesamtheit aller öffentlich ausgestellten Kunst erschließt sich überhaupt ihr besonderer Stellenwert als staatlich gefördertes Erziehungsmedium in der DDR. Die großen Dresdner Kunstausstellungen, die 1946 bis 1988 zehnmal organisiert wurden, aber auch die nationalen und internationalen Kunstausstellungen der vielen Museen und Galerien gaben die Richtung vor, welche Kunst angestrebt wurde. Dabei handelte es sich aber weniger um eine Auseinandersetzung mit der Kunst, sondern um die Vermittlung „verordneter Botschaften“ über die Kunst. Die Auseinandersetzungen der Künstler mit dem Staat wurden nie öffentlich, sondern im Künstlerverband, in den Hochschulen oder in den Ateliers ausgetragen. Die Ausstellungsplakate dokumentieren, viel mehr noch als die Kunstwerke selbst, mit welcher nationalen wie internationalen Kunst der Staat sein Werte- und Denksystem durchsetzen wollte. Denn bevor ein Plakat gedruckt werden durfte, war immer eine staatliche Druckgenehmigung erforderlich.

Kommen wir noch einmal zurück auf die Verführung zur Kunst. Eigentlich ist der Titel sehr provokant, denn an Verführung im ursprünglichen Sinne der Werbung wurde bei nur sehr wenigen der ausgestellten Plakate gedacht. Und natürlich musste die Kunst auch nicht verkauft oder eine konkurrierende Ausstellung gefürchtet werden. Vielmehr ist mit diesen Plakaten unmittelbar dokumentiert, was den Menschen alltäglich auf den Straßen, vor allem auf Litfaßsäulen und Anschlagstafeln entgegenkam oder zuweilen auch ihre Aufmerksamkeit erregte. Die Plakate vermittelten in erster Linie eine Botschaft, die Gestaltung stand im Dienste der Botschaft und der Grafiker, der das Plakat entwarf, war in erster Linie Dienstleister.

Vom Werbeplakat zum künstlerischen Ausdrucksmittel

In den fünfziger Jahren waren Werbeplakate noch das wichtigste Medium in der Wirtschaftswerbung der DDR. In der Öffentlichkeit und im Schaffen der Plakatgestalter nahmen sie aber einen geringen Platz einnahm es dominierten politische Plakate, Aufklärungs- und Bildungsplakate, Filmplakate, Theaterplakate sowie Veranstaltungs- und Ausstellungsplakate. Ein Blick in die Runde der frühen Plakate in der Ausstellung macht deutlich, dass in der Masse – und das Plakat ist ein Massenmedium – schnörkellose Bild-Text-Lösungen angestrebt wurden und komplizierte Farb- und Formvarianten eine Ausnahme waren. In erster Linie ist das ein Hinweis auf den vorherrschenden technischen Standard, Druckmaschinen und Papierqualität ließen wenig gestalterischen Freiraum zu.

In den sechziger Jahren deutete sich dann ein Funktionswandel vom ursprünglich nur zweckorientierten Werbemittel zu einem eigenen künstlerischen Ausdrucksmittel an, das sich immer mehr der freien Grafik annäherte. Seit 1966 wurden die Besten Plakate des Jahres gekürt und in einem Sonderdruck der Fachzeitschrift Neue Werbung dokumentiert. 1966 eröffnete in Warschau ebenso die I. Internationale Plakat-Biennale, an der über 30 Länder teilnahmen, darunter auch die DDR. Die besondere Wertschätzung des Mediums in der Öffentlichkeit trug am Ende zu einer Aufwertung des Plakates insgesamt bei, so dass die Auftraggeber vor allem im Kulturbereich den Plakatgestaltern immer öfter freie Hand ließen.

Politisches Plakat blieb in der DDR das zentrale Medium

Bei genauer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass das Ankündigungsplakat für Kunstausstellungen in der offiziellen Plakatkunst der DDR auch später keine große Rolle spielte. Mit Berufung auf Künstler wie John Hartfield oder Käthe Kollwitz blieb das politische Plakat in der DDR immer das zentrale Medium. Große Beachtung fand nach und nach auch das Theaterplakat. So prägten einige Grafiker mit ihrer Handschrift über Jahre das Erscheinungsbild von einzelnen Theatern, wie z.B. Werner Klemke das Metropoltheater und Volker Pfüller das Deutsche Theater. Kenner sprachen nicht mehr von Plakaten, sondern sie sagte: „Das ist ein Pfüller.“ oder „Ein echter Klemke“.

In diesem Sinne hat die Ausstellung „Verführung zur Kunst“ wenig „Echtes“ zu bieten, denn bei den Ankündigungen von Kunstausstellungen dominierte in der Mehrzahl nicht die künstlerische Handschrift des Grafikers. Im Vordergrund standen die auszustellenden Künstler und ihre Kunst – und solange diese auf dem Plakat abgebildet werden sollte, hatte der Grafiker wenig Gestaltungsspielraum. Wohl auch deshalb haben sich bis Ende der sechziger Jahre nur wenige Gestalter diesem Medium gewidmet. Die Masse an Plakaten waren Ankündigungen im klassischen Sinne, wobei immer ein Kunstwerk als Blickfang vollständig oder teilweise abgebildet und dann der informative Text außerhalb des Bildes dazu gestellt wurde.

Die Kunst für Kunst zu werben

Vergleicht man diese ähnlichen Kompositionen aber im Detail, dann lassen sich durchaus Unterschiede in der Gestaltung erkennen. Gerade im Kontrast zur bilderdominierten Welt der Gegenwart offenbaren diese frühen typografischen Variationen von immer ein und demselben Bild-Text-Prinzip eine ungeheure Vielfalt. Dabei zeigt sich auch Bemerkenswertes, wie beispielsweise beim Plakat von Waldemar Grzimek von 1960, wo die freie Bildgestalt und der Schriftzug des Künstlers viel eher an ein Filmplakat erinnern. Oder das Max-Klinger-Plakat von 1970, bei dem die Grafik den Jugendstil zitiert. Hinweisen möchte ich auch auf die häufige Verwendung des Querformats, wodurch sich völlig andere Gestaltungsmöglichkeiten ergaben. Anderseits ist die Vorsicht der Auftraggeber, bei der Entscheidung, was aufs Plakat gedruckt werden sollte, sehr gegenwärtig. Das zeigt sich besonders bei der Vielzahl von Kinderdarstellungen. Sicherlich war das Kindchenschema, mit dem man ja positive Merkmale wie Freundlichkeit und Unschuld und Zukunft verbindet, der kleinste gemeinsame Nenner und eine Garantie, dass die Botschaft bei der Masse gut ankommt.

Die Kunst für Kunst zu werben, bestand darin, dass der Grafiker sich auf die elementaren Gestaltungsaufgaben besann und seine eigene Handschrift weitgehend zurückstellte. Aber auch damit ließen sich für den Kenner einzelne Grafiker wiedererkennen. Die Plakate von Helmut Brade sind beispielsweise weit mehr als optische Signale, sie sind ebenso gedankenreiche und mitunter assoziative Arbeiten. Völlig anders verhält es sich mit Plakaten, die der Künstler gestaltete, der auch in der Ausstellung gezeigt wurde. Der Künstler Werner Wittig hatte 1979 für seine eigene Ausstellung die Gestaltung des Plakates „Hochdruck“ selbst übernommen und damit zugleich ein neues eigenes Kunstwerk geschaffen, das für seine künstlerische Handschrift steht. In den siebziger Jahren finden wir dann häufiger Versuche, bei denen das Kunstwerk nicht mehr als Bild dominiert, sondern grafische Lösungen angeboten werden. Ein schönes Beispiel ist das Plakat „Kunst in Altenburg“ wo in der unteren Hälfte des Plakatformates ein weit entfernter Kirchturm die Form eines Pinsels bekommen hat und von dort ein bunter Pinselstrich effektvoll die obere Bildhälfte ausfüllt. In der Ausstellung finden wir auch ein Zitat aus der zeitgenössischen Werbung.  In dem Plakat wird ein Kunstwerk sehr klein in der Mitte des Formates abgebildet und daneben steht mit großer Schrift: „Wenn sie mehr sehen wollen, müssen sie näher rankommen.“

Durchbruch zum Künstlerplakat in den 1980er Jahren

Einen Durchbruch zum Künstlerplakat im klassischen Sinne, wo die Ankündigung zu einem eigenen Kunstwerk wird, lässt sich im großen Umfang  erst in den achtziger Jahren beobachten. Dabei verschwindet das separat abgebildete Kunstwerk gänzlich. Stattdessen wird eine künstlerische Haltung in Wort und Bild dargeboten, die auf den Künstler und seine Ausdrucksmittel verweist. Mittlerweile hatten sich auch die technischen Möglichkeiten in der Druckindustrie so weit verbessert, dass komplizierte Farb- und Formgestaltungen umgesetzt werden konnten und Experimentelles versucht wurde.

Letztlich führten Entwicklungen in der bildenden Kunst selbst zu größerer Akzeptanz von Experimenten mit dem Medium. Das Plakat „Robinson“ von Lutz Dammbeck weist zum Beispiel eine eher komplizierte Bildstruktur auf, bei der sich die Botschaft nicht sofort erschließt. Der Künstler hatte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig in der Fachklasse angewandte Kunst studiert und sich auf diese Weise dem Einfluss der Malerfürsten Heisig und Tübke entzogen. Als Gebrauchsgrafiker nutzte er den Freiraum, sich mit grenzüberschreitenden Kunstformen auseinanderzusetzen und bezog darin vor allem den Film aber auch das Medium Plakat ein. Nicht zuletzt hatten die modernen Massenmedien und die Ankunft der Kunst im Alltag dazu geführt, dass auch Abstraktes, wie z.B. beim Plakat „Plastik“, als ein Hinweis auf Kunst verstanden wurde und nicht mehr provozierte.

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